Ein Cowboy löscht den Brand

aus dem Buch: "Natur- und Brandkatastrophen" erschienen im Tosa-Verlag Wien

1970 verwandelte sich der beschauliche 300 Seelen-Ort Eschenfelden in der Oberpfalz für 6 Tage in ein wüstes Heerlager aus Polizei und Feuerwehr, Journalisten und Schaulustigen. Löschfahrzeuge, Rettungswagen, Pkw und Motorräder blockieren das Bauerndorf. Der Anlass für diese Ansammlung war jedoch keineswegs erfreulich: Hier ereignete sich der schlimmste Gasbrand in der Geschichte der Bundesrepublik.

Am 19. September, es ist Samstag, entweicht um kurz nach 11:30 Uhr Gas aus einem Förderrohr, als sich zwei Arbeiter bei Routinemäßigen Reparaturarbeiten befinden. Es entweicht mit einem immensen Druck von 40 bar aus dem undichten Bohrloch und entzündet sich durch die Luftreibung. Sofort lodert eine 30 meter hohe Fackel in den Himmel, gespeist von dem ständig weiter ausströmenden Gas.

Der Gasspeicher, der 700 Meter tief unter der Erde liegt, enthält 170 Millionen Kubikmeter Gas. Er besteht seit 1967. Stündlich verbrennen jetzt 8000 Kubikmeter.

Aus Nürnberg, München, Regensburg und Frankfurt/Main sind die Berufsfeuerwehren allein mit 120 Mann und 20 Fahrzeugen ausgerückt. Zeitweise sind an diesem Wochenende 350 Feuerwehrleute im Einsatz. Zunächst versuchen sie das ausströmende Gas mit einem Flüssigkeitsgemisch einzudämmen. Dann wollen sie es mit einem Wasserstrahl zurückdrängen. Aber der Druck, mit dem das Gas entweicht, ist stärker. Er gibt den Flammen stetig neue Nahrung.

Die 200 Meter breite Rauchsäule ist bis in die 20 Kilometer entfernte Kreisstadt Sulzbach-Rosenberg zu sehen. Am Sonntagnachmittag bereitet man sich auf eine weitere Löschaktion vor. Man plant, das Bohrloch mit einer dicken Schicht aus Schwerschaum zu stopfen. Der Hoechst-Konzern stellt ein Fahrzeug mit 15 000 Kilogramm Schaummittel zur Verfügung. Drei Männer versuchen, geschützt durch hitzeabweisende Spezialkleidung und Sprühregen, durch eine Wasserkanone, zum Bohrloch vorzudringen. Sie scheitern. Die Flammen greifen immer mehr um sich. Auch der Bohrturm brennt jetzt.

Parallel ereignete sich an diesem Tag ein weiteres verhängnisvolles Unglück: Ein Dammbruch an einem Bach, der den Feuerlöschteich neben der Speicheranlage speist. Die Wasserzufuhr zum Teich ist unterbrochen. Die Konsequenz: Das gesamte Löschwasser muss jetzt aus der ferneren Umgebung herangeschafft werden. Feuerwehrleute legen eine drei Kilometer lange Pipeline mit verschiedenen Pumpstationen in das Schwimmbad des Ortes Königstein. Eine weitere zwei Kilometer lange Leitung wird in einen anderen Bach gelegt. Mit dem Wasser werden besonders die Nachbargrundstücke um den Gasspeicher kosequent besprüht und dadurch feucht gehalten. Mit allen Mitteln versucht man, ein Übergreifen der Flammen auf den umliegenden Wald zu verhindern. Tagsüber ist die lodernde Gasfackel kaum sichtbar, nur ein Flimmern liegt in der Luft. Doch der Schein trügt: Nachts glüht die Flamme blau, durchzogen von gelben und roten Streifen.

Am Mittwoch trifft "Paul Adair" mit seinem Tupp am Unglücksort ein. Bereits am Montag hat er aus Amerika seine Hilfe angeboten, war aber von der Ruhrgas AG mit barschen worten abgewiesen worden: "Wir denken nicht daran. wir haben ebenso gute Spezialisten bei der Shell AG und in Holland." Da diese Spezialisten aus unerfindlichen gründen "unabkömmlich" sind, revidiert die Ruhrgas AG ihre Worte und engagiert Adair. Er will einen zweiten Versuch unternehmen, den Gasbrand "totzupumpen". Ein erster Versuch, den Brand mit einer Schwerspatlösung zu ersticken, war in der Nacht zum Dienstag gescheitert. Nun stellt die Ruhrgas AG die doppelte Menge an technischem Gerät und Schwerspatlösung zur Verfügung.

Mit eigens für diesen Brand konstruierten Hitzeschildern nähert sich Adair mit seinen Leuten der brennenden Gasfackel. Über Trichter wird Wasser mit der Schwerspatlösung vermischt und ins Bohrloch gepresst. Am 25. September ist der Brand gelöscht.

PAUL ADAIR- DER TEUERSTE FEUERWEHRMANN DER WELT

Paul Neal Adair, wegen seines einst roten Haarschopfes, auch "Red Adair" genannt, wurde am 18. Juni 1915 in Dallas, Texas, geboren. Als eines von acht Kindern eines Hufschmieds wuchs er in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach neun Pflichtschuljahren musste er die Schule verlassen, um Geld zu verdienen. Sein Job als Hilfsarbeiter bei der Eisenbahn befriedigte ihn nicht lange. Er befolgte den Rat seines Vaters und suchte sich Arbeit auf den Ölfeldern rund um Housten. Dort hatte er sein erstes Ölbranderlebnis. Bald darauf stieg er bei Myron Kinley ein, dem damals der Ruf des "international besten Feuerwehrmannes für Ölbrände" vorauseilte. Als dieser 1959 in Rente ging, übernahm Adair den Betrieb und gründete die "Red Adair Co.Wild Well Control".

Damit hatte er die Basis geschaffen für seine steile Karriere, die ihn zum Multimillionär und gleichzeitig zum kompetentesten und erfolgreichsten Feuerwehrmann der Welt werden ließ. immer wenn die Experten nicht mehr weiter wussten, wurde Adair eingeschaltet, und

das um jeden Preis. Denn Adair ist teuer. Bereits 1980 nahm er 10 000 Dollar pro Stunde, dennoch zahlten die Kunden die Millionenberäge an Adair, die immer noch niedriger lagen, als der Schaden bei längerer Branddauer gewesen wäre.

Tatsächlich konnte er in den allermeisten Fällen die Brände schnell und effektiv bekämpfen. Sei es in Eschenfelde oder Frankenthal, als unterirdische Gasspeicher in Brand geraten waren, oder bei der schlimmsten Feuerkatastrophe in der Erdölförderung auf der Bohrinsel "Piper Alpha" 1988. Seine größte Herausforderung waren die brennenden Ölquellen in Kuweit im Jahre 1991. Dort erlitt das strahlende Image des "Herrn der Flammen" eine kleine Eintrübung.

Dennoch, Adair, der etliche Feuerhöllen wie durch ein Wunder überlebt hat, wurde so schon zu Lebzeiten eine Legende. Er starb am 7. August 2004 89-jährig eines natürlichen Todes, wie seine Familie verlauten ließ.