DIE HEILIGE STADT BRENNT

aus dem Buch:"Natur-und Brandkatastrophen", erschienen im TOSA-VERLAG WIEN

Die Feuersbrunst im Jahre 70 nach Chr., die ganz Jerusalem in Schutt und Asche legte, war nur der Endpunkt eines blutigen Krieges zwischen Römern und Juden, der vier Jahre angedauert hatte. Das Feuer zerstörte das Heiligtum der Juden, den Tempel Jerusalems, mit all seinen unwiederbringlichen Kunstschätzen und Reliquien. Mit der Brandkatastrophe war ein entscheidender Einschnitt in der Geschichte des Judentums verbunden. Die Juden hatten ihr religiöses Zentrum verloren. Die Zeit der Diaspora begann.

Als der römische Feldherr Pompeius im Jahre 63 n.Chr. Jerusalem erobert, ist das der Anfang vom Ende der jüdischen Herrschaft in der Stadt. Judäa verliert seine Unabhängigkeit, Palästina wird römisches Herrschaftsgebiet und Teil der römischen Provinz Syria. Herodes I. (37-4 v.Chr.), aus der Bibel als Kindermörder bekannt, etabliert die römische Präsenz in Jerusalem. Unter seinem Regiment und dem der nachfolgenden römischen Prokuratoren verschärfen sich nach und nach die politischen, sozialen und religiösen Gegensätze zwischenn Einheimischen und Besatzern. Es kommt zu Spannungen zwischen Juden und Nichtjuden.

Im August des Jahres 70 n. Chr. haben die Auseinandersetzungen zwischen römischen Soldaten und der jüdischen Stadtbevölkerung ihren Höhepunkt erreicht. Die Regierung in Rom missbilligt die rebellische Stimmung in dieser Provinz. Sie entsendet Titus Flavius Vespasianus - Sohn des römischen Kaisers Vespasian und von Nero ausgezeichneter Feldherr. Er soll die Aufständischen niederschlagen. Nicht weniger als vier Legionen - eine Legion umfasst 4000 bis 6000 Soldaten - stehen ihm zur Verfügung.

Drei Stadtmauern umgaben Jerusalem. Sie alle schützen die Stadt, in deren Innerstem der Tempel liegt, das unantastbare Heiligtum und Zentrum der Juden. Bereits einmal ist der Tempel komplett zerstört worden, als der babylonische König Nebukadnezar 598 v.Chr. die Stadt eroberte. Die Mauern, die den Tempelplatz umgeben, sind bis zu 40 Meter hoch und mit Zinnen versehen. Neun Türme verstärken das Mauerwerk. Die Tempelanlage ist ein uneinnehmbares Bollwerk. Dort verschanzen sich die Juden zu Hunderten im Kampf gegen die Römer.

Im Norden überragt die Festung Antonia den Tempelplatz. Sie grenzt direkt an den Heiligen Bezirk. Bis hierher ist Titus mit seinen Truppen bereits vorgedrungen. Die Juden denken aber nicht daran aufzugeben. Nachdem Titus bei dem Versuch, die Stadtmauer zu durchbrechen scheiterte, greift er zum Äußersten: Er steckt die Torgebäude des äußersten Tempelbezirks in Brand. Sofort gehen die schweren, massiven Holztore in Flammen auf. Die Eisenbeschläge schmelzen in der Hitze. Das Feuer greift im Nu auf die Säulengebäude über.

Die Juden im Innern der Tempelanlagen sind wie gelähmt, unfähig zu irgendwelchen Löschaktionen. Hatten sie doch bis zuletzt darauf spekuliert, daß Titus, wie er es angekündigt hatte, den Tempel nicht anrühren würde. Doch dann stürzen sie panisach zu den Toren, direkt in die Arme ihrer Feinde. Wer nicht im Feuer umkommt, wird zum Opfer eines entsetzlichen Blutbads, das die Römer in ihrem über Wochen aufgestauten Zorn anrichten.

Immer weiter dringen die Kohorten ins Innere des Tempels vor. Schon längst hat Titus den Überblick verloren. Sein Befehl die Brände einzudämmen, findet kein Gehör mehr. Er will wenigstens die Heiligen Stätten erhalten. Ein Soldat wirft jedoch ein brennendes Scheit in die Räume, durch die man ins Innere des Tempels gelangt. Es ist zu spät. Gierig verschlingt das Feuer alle Reichtümer und Reliquien. Jetzt sind die Römer endgültig enthemmt und stecken auch die bisher unversehrt gebliebenen Gebäude in Brand. Selbst vor der Halle, in die sich 6000 Menschen, besonders Frauen und Kinder, vor den Flammen geflüchtet haben, machen sie nicht mehr halt. Keiner der 6000 überlebt.

Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus (37 bis 100) beschreibt in seiner "Geschichte des Judäischen Krieges" ein grauenvolles Szenario: "Der Tempelberg schien vom Grund her zu glühen und rings in Feuer gehüllt; aber noch voller als die Flammenbäche, schienen die Blutstöme zu fließen (...) Vor Leichen sah man den Boden nicht mehr, über Berge von Toten stürmten die Soldaten den Fliehenden nach."

Ein Viertel der jüdischen Bevölkerung ist dem verheerenden Brand in Jerusalem zum Opfer gefallen. Hunderte kommen in Kriegsgefangenschaft oder werden versklavt. Judäa wird zur kaiserlichen Provinz. In Rom errichtet man nach der Zerstörung Jerusalems einen Triumphbogen zu Ehren des römischen Feldherrn und späteren Kaisers Titus. Darauf steht: "Er zerstörte Jerusalem, das vor ihm andere Feldherren, Könige oder Völker entweder vergeblich angriffen oder niemals anzugreifen versucht hatten."

DER TEMPEL JEHOVAS BIS ZU SEINER ZERSTÖRUNG IM JAHRE 70

538 v.Chr. kehrten die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft zurück und errichteten den zweiten Tempel auf dem Berg der Heiligen Stadt. 515 wurde der neue Tempel eingeweiht.

Mit dem Sieg Alexanders des Großen über Persien; kamen die Griechen ins Land. Palästina gelangte unter hellenischen Einfluss. Hundert Jahre später eroberten die Römer das Gebiet. Sie setzten jüdische Könige ein, mit denen sie paktierten. Der Kern des Tempels blieb erhalten, aber besonders Herodes umgab ihn mit monumentalen Anbauten. Er vergrößerte das gesamte Tempelplateau auf 140 000 Quadratmeter und errichtete eine 1,4 Kilometer lange Stützmauer. Umgeben war der Tempel vom "Vorhof der Heiden", eingerahmt von schattenspendenden Säulenhallen. Händler und Geldwechsler betrieben

hier ein reges Geschäft. Die prächtigste Säulenhalle war die im Süden gelegene "Königliche Halle". Auf 32 Meter Breite waren hier 162 Säulen in vier Reihen errichtet, die Zedernholzdecke zierten Schnitzereien, im Fussboden war ein Mosaik aus bunten Steinen.

Ins Innere des Tempelbezirks gelangte man durch neun Tore. Dahinter lag der "Frauenhof", dann der "Männerhof", der umgeben war von Pristerkammern, Arbeits- und Amtsräumen und der Schatzkammer.

Der ursprüngliche Tempel bestand aus zwei Räumen: Dem "Heiligsten", in dem sich Kultgegenstände wie der Altar oder der Siebenarmige Leuchter befanden, und dem "Allerheiligsten", wo die steinerenen Tafeln mit den Zehn Geboten aufbewahrt wurde. Dorthin gelangte nur der Hoheprister.